FRITZ Das Magazin Dezember 1999

„Am Ende jeder Epoche lauert in Sarajevo der Mord“ - Auf dem schmalen Grat

Die hallesche Band „von Trotha“ tourte im Sommer durch Bosnien/ Herzegowina. Jetzt präsentiert sie ihr Live Album.
Es heißt: „Tausend Jahre Wehrwolfromantik“ (von Michael Roch)

„Am Ende jeder Epoche lauert in Sarajevo der Mord.“ lässt „von Trotha“ – Denkmaschine Judas Jendryschik seinen Romeo im Zwiegespräch mit Don Quichotte ausrufen. Mit dieser Zeile beginnt die 1998er „von Trotha“ –CD „Sexy subversiv und sehr stilvoll.“ Gleichzeitig beginnt damit die Vision, einmal in Sarajevo zu spielen. Als sich im Juli diesen Jahres anlässlich einer, vom Friedenskreis Halle e.V. organisierten, Konzertreise zufällig die Möglichkeit dazu ergibt, lassen sich „von Trotha“ nicht lange bitten. Vom 5. bis 19. Juli spielen die sieben halleschen Provo-Rocker sechs Konzerte in Sarajevo, Mostar und vier anderen Städten.

Die Reise selbst, die Unterkunft und auch die Konzertbedingungen werden chaotisch. Kein Wunder für die krisengeschüttelte Region im Herzen Europas, noch dazu, da zeitgleich die Bombardierungen Belgrads durch die Nato –Bomber stattfinden. Jendryschik zieht heute trotzdem ein positives Resümè. Betroffenheit hat er mitgebracht, die er allerdings für seine künstlerischen Ambitionen auf der „Haben-Seite“ verbucht. Und diese Ambitionen sind sicher bemerkenswerter als bei ähnlichen Projekten. Jendryschik tut sich schwer mit der „Epoche“, an deren Ende seiner Meinung nach Mord und Totschlag lauern.

Wie damals in Sarajevo der erste Weltkrieg die Ordnung aufmischte, stehen wir heute an der Schwelle der Europäisierung oder eben dem globalen Chaos. Das geht an niemanden spurlos vorbei und schon gar nicht an Jendryschik, dem Philosophen. Seine wirre Intellektualität spiegelt sich in den Texten derer „von Trotha“ wider. Absurdes und Abstraktes zwischen Beschreibung und Bewertung. Seine Botschaften bleiben schwer zu verstehen. „Ich verstehe sie oft selber nicht“ gibt er zu, und kontert mit der Entschuldigung: „Aber das Gleichnis ist eben immer klüger als sein Erschaffer.“ Damit will er denen den Wind aus den Segeln nehmen, die seine Verse vorschnell als postpubertär abtun.

Zentrales Element seiner Arbeit scheint die Provokation zu sein. Sexuelle und politische Tabus werden – scheinbar – gebrochen. Vor allem der nationale Gestus in Text und Artikulation ist für die deutsch-politische Korrektheit eine harte Nuss. „Wo ist der Unterschied zwischen einem Diktator und einem Rockstar?“ fragt da Jendryschik. Offen bleibt ob Jendryschik davon fasziniert ist, oder diesen Umstand anprangern will. Schon der Titel der nun erschienenen Live-CD, die darüber hinaus unter dem Bandnamen Panzerdivision von Trotha firmiert, „1000 Jahre Wehrwolfromantik“ ist eigentlich eine Katastrophe. „Rock´n Roll war doch immer eine Mischung aus Musik und Provokation, nur weiß das heute kaum noch jemand.“ schmettert er auch den Vorwurf des kommerziellen Kalküls solcher Provokationen ab.

Auf die Frage, ob Jendryschik eigentlich geil darauf ist missverstanden zu werden, fasst er es zusammen: „Ich bin jedenfalls nicht scharf darauf von allen verstanden zu werden!“

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