FRIZZ Das Magazin April 2008

Von Trotha - Blitzkrieghandykindergarten - Intelligenter Krach? (von Mischka Blochwitz)

Was musikalisch ziemlich genial daher kommt, provoziert sich inhaltlich zielgerichtet am Tabubruch entlang. Judas von Trotha kommen mit neuem Album zum Record Release ins nt.

Wer sich Judas von Trotha nennt, hat entweder ein ziemlich seltsames Verhältnis zu sich selbst oder einst von Mutti einen langweiligen, bürgerlichen Vornamen verpasst bekommen. Bei Per Jendryschik trifft wohl eher letzteres zu. Zunächst verortet er sich ganz bescheiden als „Provinzrocker“, doch provinziell kommen Sound und Lyrik keinesfalls daher, allerhöchstens etwas verworren: Für ihn besteht ganz Ostdeutschland lediglich aus Schwulen und Sachsen. „Der Rest sind Schiiten“. Er selbst bezeichnet dies als „konkrete bis unterschwellige Abweichung von der öffentlichen Meinung.“ Die Themen pendeln zwischen dem Aufruf zur Rebellion und der Aufforderung zum Suizid“; beides sind für Judas von Trotha „gleichberechtigte Auswege.“

Das diesen Monat neu erscheinende Album ist das erste Lebenszeichen seit der CD „Harte Männer tanzen nicht“ aus dem Jahr 2004. Seither war es seltsam ruhig um das 1996 in Halle gegründete Projekt geworden. Augenfällig zunächst: Offensichtlich ist es nicht gelungen (oder für nötig befunden worden), sich für einen Albumtitel zu entscheiden. Offiziell trägt das Werk zwar den seltsamen Namen „Blitzkrieghandykindergaren“, doch zur Auswahl stehen ebenso „Depression ist Luxus“ oder „The German Angst“ oder „Armut macht hässlich.“

In von der Band gewohnter Manier gibt es, wie es von ihr selbst heißt, intelligenten Krach mit Beats und Bizeps sowie verschrobene Lyriks im Industrial-Gewand zu hören. Von Trotha bezeichnen ihren Stil selber als „Industrial-Walzer und Schwermut-Metall mit theatralischem Rockgestus.“

Judas von Trotha versuchten mit „Blitzkrieghandykindergaren“ nicht weniger, als eine „zynische bisweilen bösartige Bestandsaufnahme deutscher Verhältnisse“ (Platteninfo) hinzulegen, angereichert „mit Ausflügen in die Nachbarländer im Osten“ und Exkursionen in die neuere und mittlere Geschichte. In dem Lied „Steinhäuser“ wird das Amok-Drama im Erfurter Gutenberg-Gymnasium thematisiert und der Todesschütze als „the god of massaker“ bezeichnet. In einem anderen Stück heißt es „hebt den Arm einen schönen Gruß, die Progromnacht ist vorbei.“ Gelegentlich vergreift sich Judas von Trotha auch noch tiefer an der Wortkiste des dritten Reichs. Wobei einerseits klar festgehalten werden muss, dass die Musiker keine Nazis sind. Im Gegenteil. Doch andererseits billigen Sie zumindest – und da wird es durchaus haarig – missverstanden zu werden. Missverstanden von Leuten, von denen sie eigentlich nicht gemocht werden wollen: Rassischtisches Pack, „kahlköpfig und verlaust“ zugleich.

Das derlei im Neuen Theater ein subventioniertes Podium findet, mag irgendwie mutig gefunden werden, mutet aber letztlich auch naiv an. Spätestens wenn „Fremde Heere Ost“ im Vorprogramm zum Rekord Release aufspielen und Wiebke Rennert Schumann-Lieder trällert, wird es beinahe grotesk.

Manchmal, immer dann, wenn von Trotha aufhören, politisch sein zu wollen, werden die Texte so etwas wie Dichtkunst: „Ich kann es mir nicht vorstellen. Weil ich es mir nicht vorstellen kann, kann ich es nicht aushalten“, heißt es an einer Stelle. Und in dem Song „Celine von gegenüber“ wird in fast kindlicher Poesie formuliert: „Wenn die Katze zu nah zum Feuer kommt, springt sie am Ende doch ins Wasser.“ Das ist wahr und niedlich zugleich. Aber meist klingt bei von Trotha alles ganz trist und trostlos: „Ostdeutschland beim Daumendrehen, seht doch die Blöden am Arbeitsamt stehen. Seht doch das Pack weiter Westwärts ziehen.“ Zum Record Release im nt mit anschließender Diskussion sind übrigens Schulklassen eingeladen. Ob sie den Krach intelligenter finden? Man wird es sehen. Heiß dürfte die Diskussion aber in jedem Fall werden.

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